| …Bündnis 90 | Die Grünen, Die Linke und die AfD | „Alter Wein in neuen Schläuchen?!“ Der Praxischeck – angemahnt vom Sportlehrerverband Sachsen.
Das Schuljahr 2019/2020 ist gerade mal einen Monat alt und das Sächsische Staatsministerium für Kultus (SMK) jubelt bereits auf seinem Blog über: „Mehr Spiel und Sport sowie mehr Musik in Ganztagsangeboten.“
Angeregt durch ein Interview mit dem MDR „Sachsenspiegel“ (Ausstrahlung am 26.09.2019) wollten wir, vor allem auch in Bezug auf unsere Petition „Für eine bewegte Schulzukunft unserer Kinder und Jugendlichen“ vom März 2018, die praktische Umsetzung der Ganztagsangebote (GTA) an den Schulen hinterfragen.
Leider wurde uns relativ schnell klar, dass hier „alter Wein in neuen Schläuchen“ verkauft wird und mit viel Geld (mehr Schein…) systematische Grundprobleme (… als Sein) überdeckt werden. Die Kürzung des Sportunterrichtes und weiterer Fächer in der Stundentafel hatte hauptsächlich personaltechnische Hintergründe.
Schon zum damaligen Zeitpunkt war uns Vertretern aus der Schulpraxis klar, dass auch mit viel finanziellem Aufwand (beinahe Verdopplung der GTA-Mittel auf 46 Mio. €) und geschlossenen Kooperationsvereinbarungen mit einzelnen Interessensvertretungen, wie dem Landessportbund Sachsen (LSB) und dem Sächsischen Musikrat (SMR), nicht automatisch eine quantitative und vor allem qualitative Ausweitung der GTA möglich wird. Die bereits nach vier Schulwochen euphorisch im SMK-Blog angepriesene GTA-Überarbeitung hält dem Praxischeck schlicht nicht stand.
Aus unseren Rückmeldungen von vielen Verbandsmitgliedern ist keine zahlenmäßige Erweiterung von Sport- und Bewegungsangeboten zu verzeichnen. Auch vom SMK liegen bis heute keine validen und damit überprüfbaren Soll-Ist-Werte bezüglich der GTA vor. Einzelne, gern zitierte „best practice“-Beispiele sind und waren stets das Ergebnis von engagierten Kollegen*innen und funktionierenden Schul-Vereins-Infrastrukturen auf lokaler Ebene.
Allerdings fällt an vielen Schulen das neue GTA auf weichen Boden, denn viele Bildungseinrichtungen erkennen dadurch die Chance, ihren Investitionsstau in Sachmitteln über die deutlich angestiegenen GTA-Mittel relativ unbürokratisch zu beheben. Eine notwendige schulexterne Evaluation zur sinnvollen, zweckmäßigen und vor allem nachhaltigen Verwendung der Gelder findet im Moment nicht statt. Damit werden stellenweise einer unkontrollierten Verwendung von Steuermitteln Türen und Tore geöffnet.
Was dabei nicht gelöst wird, ist das eigentliche Grundproblem: die Kompensierung der weggefallenen Sportstunden durch eine Erweiterung der sportlichen GTA. Diesen Widerspruch würde, wenn überhaupt, erst ein verpflichtendes Angebot für alle Schüler*innen lösen, welches wir von unserer Seite aus bereits in den Verhandlungen als Grundbedingung angemahnt hatten. Dieser Ansatz scheitert jedoch in der Praxis wieder an den personaltechnischen Gegebenheiten sowohl in Schule als auch in den Vereinen und war ein Grund für den Ausstieg des Sportlehrerverbandes Sachsens aus der GTA-Arbeitsgruppe Sport zwischen LSB Sachsen und SMK. Wir wollten kein Feigenblatt für realitätsferne (dem Wahlkampf unterliegende) Symbolpolitik sein.
So bleiben wir dabei, dass nur der verpflichtende, in der Stundentafel verankerte Schulsport alle Schüler*innen erreicht und damit motorisches und soziales Lernen wieder einen echten Stellenwert erhalten. Nur so kann aus unserer Sicht die vom SMK propagierte „Entlastung“ der Schüler*innen in einer immer stärker digitalisierten, individualisierten und verkopften Gesellschaft tatsächlich wirksam werden.
Ihre sowohl im Rahmen der Petition „Für eine bewegte Schulzukunft unserer Kinder und Jugendlichen“ als auch im Vorfeld der Landtagswahl 2019 zugesicherte Unterstützung (Wahlprüfsteine des LSB) muss jetzt greifen, damit die derzeitige Bildungspolitik in Sachsen nicht weiter auf dem Rücken und damit der Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen ausgetragen wird. Dazu gehört auch, getroffene Entscheidungen zurückzunehmen und der Tendenz entgegenzuwirken, dass staatliche Pflichtaufgaben zunehmend in außerunterrichtliche Kür-Angebote ausgelagert werden.
Besonders von der Fraktion Die Grünen erhoffen wir uns eine nachhaltige Stimme in eventuellen Koalitionsverhandlungen, so wie es auch in mehreren Gesprächen u.a. mit Frau Zais – sportpolitische Sprecherin – im Vorfeld der Landtagswahl 2019 zugesichert worden ist.