| Nachdem der Bundesvorstand des Deutschen Sportlehrerverbandes mit der Forderung, dass der Sportunterricht in den deutschen Schulen zu erteilen ist, am 22.04.2020 an die Öffentlichkeit gegangen ist und auch uns verschiedene Anfragen von Kolleginnen und Kollegen erreicht haben, möchten wir als Vorstand des Sportlehrerverbandes Sachsen hiermit unseren Standpunkt zur Frage „Sportunterricht in Corona-Zeiten“ darlegen.
Eine Forderung zur zwingenden Durchführung des Sportunterrichts zum jetzigen Zeitpunkt zu erklären, kommt aus unserer Sicht zu früh und geht weit an der Realität vorbei. Wer unsere Verbandsarbeit bisher verfolgt hat, weiß mit welcher Vehemenz und mit welchem Engagement wir uns normalerweise für den Schulsport gegenüber Politik und anderen Institutionen einsetzen.
Aber wie sieht derzeit die Realität an unseren Schulen aus?
Die Schulleitungen und Kollegien versuchen, nach bestem Wissen und Gewissen, die schrittweise Öffnung der Schulen vorzubereiten, erstellen schuleigene Hygienepläne und bereiten derzeit alles für die Abschlussjahrgänge und Prüfungstage vor. Dazu kommen, angedacht ab Mai, einzelne Jahrgänge, die in Kleingruppen unter erhöhtem personellen und räumlichen Aufwand unterrichtet werden sollen. Ausgenommen bleiben dabei Schülerinnen und Schüler, aber auch Kolleginnen und Kollegen mit erhöhtem Gesundheitsrisiko oder Vorerkrankungen. Wir befinden uns also ganz am Anfang einer neuen „Schulrealität“ und sind gerade erst dabei, Strukturen für einen Grundbetrieb mit Präsenz-Unterricht zu ermöglichen.
Bei den oben beschriebenen Maßnahmen setzen Landesregierung und politische Entscheidungsträger auf ein hohes Maß an Eigenverantwortung der Schulen. Dieser Ansatz ist auch notwendig, da die Ausstattungen (Unterrichtsräume, Sanitäranlagen, etc.) und Ressourcen (Schutzkleidung, Desinfektionsmittel, Personal) von Schule zu Schule völlig unterschiedlich sind.
Gleichzeitig fehlen aber aus unserer Sicht klare Richtlinien und Handlungsanweisungen für den Schulalltag. Und hier kommen wir zu den besonderen Belangen des Sportunterrichts:
Der Sportunterricht ist das Fach mit der häufigsten und intensivsten körperlichen Interaktion zwischen unseren Schülerinnen und Schülern. Dies geschieht durch direkten Kontakt, das gemeinsame Nutzen von Sportgeräten und die räumliche Enge in Sporthallen. Hier, wie vom Bundesverband getan, einfach „auf den Sportplatz, die Laufbahn im Park, auf den Schulhof oder Plätzen“ zur Durchführung zu verweisen und somit eine Lösung zu suggerieren, ist sowohl aus versicherungsrechtlicher, aber noch mehr aus schulorganisatorischer Sicht zu kurz gedacht und ein äußerst gewagtes Zeichen.
Darüber hinaus würde dies gerade auf Grund völlig unterschiedlicher personeller, materieller und örtlicher Gegebenheiten der einzelnen Schulen zu einem unbefriedigenden „Flickenteppich“ in der Umsetzung führen. Mit dieser Forderung bürdet man unseren Sportkolleginnen und -kollegen eine Verantwortung auf, der sie im Hinblick auf die geltenden Infektions- und Hygieneschutzmaßnahmen in keiner Klassenstufe ernsthaft gerecht werden könnten.
Sportliche Bewegung muss natürlich auch im Fernunterricht und unter den jetzigen Bedingungen des digitalen Lernens ein Bestandteil der heimischen Aufgaben sein. Hier kommt es vor allem darauf an, durch vielfältige Betätigung im Freien einen wichtigen Ausgleich zum “Lernen zu Hause” zu setzen. Eine lehrplangerechte Umsetzung des Sportunterrichts ist aber sicherlich nicht an die erste Stelle zu setzen, solange es keine neuen Erkenntnisse über Covid-19 gibt, die dies zulassen würden.
Wir sollten sowohl in Verantwortung für die Gesundheit unserer Schülerinnen und Schüler, als auch für unsere eigene Gesundheit, in diesen besonderen Zeiten „auf Sicht fahren“ und nicht vorschnell handeln. Denn unabhängig von verschiedenen Meinung sollte sich jeder immer die Frage stellen, welche Signale damit gesendet werden. Prominente Beispiele aus der Sportwelt sind hierbei beispielweise der Abbruch der aktuellen Handball Bundesliga Saison versus die geplante Wiederaufnahme der aktuellen Fußball Bundesliga Saison und die Diskussion darüber, ob hier wohlmöglich wirtschaftliche Interessen über Gesundheit gestellt werden und umgedreht.
Nicht ohne Grund sind derzeit in Sachsen jegliche Fortbildungen, Zertifizierungskurse, Wettkämpfe wie Jugend trainiert für Olympia, etc. für den Schulbetrieb ausgesetzt, solange eine verantwortungsvolle Wiederaufnahme nicht gewährleistet werden kann. Das betraf und betrifft auch unsere verbandsinterenen Fortbildungsangebote im Bereich Wintersport, die regionalen Sportlehrerkonferenzen und eventuell auch den Sportlehrertag 2020. Zu Letzterem sei erwähnt, dass die Planung für September steht. Je nach Entwicklung der Lage kann es jedoch sein, dass wir den Sportlehrertag 2020 gegebenenfalls verschieben werden müssen.
Für den Schulsport sehen wir als Sportlehrerverband Sachsen zum jetzigen Zeitpunkt hingegen als vorderste Aufgabe unserer Sportlehrkräfte die Realisierung der Betreuung unserer Schülerinnen und Schüler mit entsprechenden Aufgaben im häuslichen Umfeld. Wir wissen, dass viele Kolleginnen und Kollegen bereits mit kreativen Bewegungsangeboten und ebenso theoretischen Inputs altersgerechte Impulse und Anregungen an die Schülerinnen und Schüler adressieren. Gleichzeitig behalten wir die aktuellen Entwicklungen stets im Blick und werden zu gegebener Zeit unseren Standpunkt anpassen.
In diesem Sinne haltet euch fit, bleibt gesund und vor allem geduldig, damit der Schulsport bald wirklich wieder alle bewegen kann.