| „Wie hat die zweijährige Pandemie und die damit verbundenen Lockdowns die sportlichen Aktivitäten der Schüler*innen der Klassenstufe 5 – 12 verändert und welche positiven und negativen Auswirkungen sind zu beobachten?“. Mit dieser Problemfrage hat sich der Schüler Jannis Lempe, von der Werner-Heisenberg-Schule in Leipzig, im Zuge seiner Facharbeit in der Jahrgangsstufe 11 beschäftigt. Die Basis der Untersuchung bildete eine online-Befragung von Schüler*innen, deren Ergebnisse hier vorgestellt werden sollen.
Sportliche Aktivitäten gehören insbesondere bei Kindern und Jugendlichen zu einem festen Bestandteil ihrer Freizeitgestaltung, sei es als Hobby, als körperlicher Ausgleich zum Schulalltag, Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsentwicklung oder für das allgemeine Wohlbefinden. Vor Beginn der Pandemie war für mich unvorstellbar, dass zur Eindämmung eines Virus monatelang Schulen, Sportstätten und Vereine geschlossen bleiben müssen und sportliche Aktivitäten überhaupt nicht mehr oder nur eingeschränkt möglich sein würden. Als direkt Betroffener – ich spiele seit meiner frühester Kindheit Fußball im Verein – habe ich mir die Frage gestellt, wie meine Generation mit dieser Situation umgegangen ist und welche positiven oder negativen Effekte die Pandemie hinsichtlich der sportlichen Aktivitäten hatte.
Um das veränderte Sport- und Freizeitverhalten analysieren zu können, habe ich eine Online-Umfrage im Zeitraum vom 25.01. – 14.02.2022 durchgeführt. Die Verteilung des Teilnahmelinks erfolgte per E-Mail über die Lernsax-Plattform an alle Schüler*innen der Werner-Heisenberg-Schule. Mithilfe meines Betreuers und des Newsletters des Sächsischen Sportlehrerverbandes konnte ich meine Befragung auch auf andere Schulen ausweiten. Insgesamt haben 678 Schüler*innen der Klassenstufen 5 bis12 teilgenommen und die 27 Fragen vollständig beantwortet. Von den Befragten waren 386 (57%) weiblich, 277 (41%) männlich und 15 (2%) divers.
Auswirkungen auf die außerschulischen sportlichen Aktivitäten und den Vereinssport
Als erstes wurde die Ausgangssituation der außerschulischen sportlichen Aktivitäten Schüler*innen vor der Pandemie betrachtet und mit der Situation während der Pandemie und des Lockdowns verglichen. Dabei wurde deutlich, dass die Anzahl die Vereinsmitgliedschaften, die Trainingsanzahl und -dauer während der Pandemie abgenommen haben. Konkret in Zahlen bedeutet dies, dass 73 von 480 Mitgliedschaften in Sportvereinen beendet wurden. Der Anteil derjenigen, die vor der Pandemie regelmäßig sportlich aktiv waren, ging im Laufe der Pandemie und den Einschränkungen im Sport immer mehr zurück. Die Zahl der Schüler*innen, die sich selten oder gar nicht sportlich betätigen, stieg während des Lockdowns sogar auf das 2,5 fache an.
Eine rückläufige Entwicklung war auch bei der Anzahl der wöchentlichen Aktivitäten und deren Dauer zu beobachten. Vor der Pandemie hat die Mehrheit der Schüler*innen in der Regel zwei- bis dreimal in der Woche für ca. 90 Minuten Sport getrieben. Während der Pandemie schrumpfe nicht nur die Trainingszeit auf 45-60 Minuten, sondern es wurde auch nur noch ein- bis zweimal pro Woche trainiert. Das liegt deutlich unter der von der WHO empfohlenen Bewegungszeit für Kinder und Jugendliche.
Während des Lockdowns ist bei der Hälfte der Befragten das Training sogar komplett ausgefallen. Online-Training oder Trainingsaufgaben für zu Hause wurden in dieser Zeit zwar angeboten, allerdings kamen nur wenige in diesen Genuss. Gründe hierfür könnten darin liegen, dass die Vereine vor einer solchen Herausforderung noch nie gestanden haben und Erfahrungen sowie die technischen Voraussetzungen fehlten. Hier wäre es sicher für die Zukunft zielführend, wenn es für solche Situationen einen „Plan B“ geben würde und z.B. online-Plattformen oder Trainingsapps stärker zum Einsatz kämen. So ließen sich gegebenenfalls Kündigungen von Mitgliedschaften vermeiden, blieben die sportliche Motivation sowie der Kontakt zwischen Trainer*innen und Trainingsgruppe aufrecht und können Trainingsfortschritte monitort und dokumentiert werden. Dass dies nicht unwichtig ist, belegt auch die Tatsache, dass die Schüler*innen neben dem Spaß an der sportlichen Betätigung, Freunde und Mannschaftskolleg*innen aber auch eigene Trainingsfortschritte und Leistungsvergleiche am meisten vermisst haben.
Verändertes Freizeitverhalten
Durch die Einschränkungen im organisierten Vereinssport und den Ausfall des Schulsports während des Distanzlernens suchten sich die Schüler*innen alternative Freizeitaktivitäten die größtenteils mit sportlichen Aktivitäten und Bewegung zu tun hatten. Hier war es mir anhand der Ergebnisse möglich, eine alters- und geschlechtsspezifische Betrachtung vorzunehmen. Dabei war zu beobachten, dass sich jüngere Schüler*innen (5.-6. Klasse) öfters in der Natur aufgehalten, sich mit Freunden zu Sport und Spiel getroffen haben, spazieren waren, Inliner oder Fahrrad gefahren sind. Mit zunehmendem Alter waren Schüler*innen dagegen öfters joggen oder hielten sich mit eher mit Fitnessübungen und Workouts selbständig fit. Als positiver Effekt kann man vermuten, dass der eine oder andere dadurch motiviert wurde, eine Mitgliedschaft in einem Fitness-Studio abzuschließen. Die Motivation für Outdoor-Aktivitäten dürfte besonders in den Lockdowns, welche im Herbst/Winter stattfanden, zugunsten der Medienzeit abgenommen haben. Anstatt sportlicher Aktivitäten beschäftigten sich die Schüler*innen mehr mit Social Media, Gaming oder haben TV/TV-Serien geschaut. Gaming war über alle Klassenstufen hinweg eine Jungs typische Freizeitbeschäftigung, während sich Mädchen ab Klassenstufe 9/10 mehr mit Social Media beschäftigt und gelesen haben. Der Fernsehkonsum war bei beiden Geschlechtern annährend gleich. Bedenklich ist, dass etwa zwei Drittel dieses „neue“ Freizeitbehalten beibehalten haben und zukünftig mit dem Sport konkurrieren wird. Positiv wiederum ist zu bewerten, dass einige Schüler*innen mehr Zeit hatten, um kreativ oder musikalisch zu sein. Eine Schülerin hat während der Pandemie begonnen, eine neue Sprache zu erlernen.
Auswirkungen der Pandemie auf den Schulsport
Damit Schüler*innen auch während des Distanzunterrichts in Bewegung bleiben waren innovative und kreative Ideen gefragt. An unserem Gymnasium gab es von den Sportlehrern selbstgedrehte Videos mit Übungen, die zu Hause und mit wenigen Hilfsmitteln nachgemacht werden konnten. Auch an anderen Leipziger Schulen wurden selbst produzierte Videos mit Fitness-, Kraft und Yogaübungen über Lernsax hochgeladen. Darüber hinaus gab es an einigen Schulen sogar online-Sportunterricht und Zoom-Meetings mit Fitness-, Kraft- und Dehnungsübungen. Weitere Maßnahmen waren der Versand von Trainingsplänen und Übungsanleitungen für Workouts oder Rückenschule sowie Wochen-Challenges wie z.B. Schritte zählen, bei denen Gewinner ermittelt wurden. An einigen Schulen gab es laut Aussagen der Befragten keinen Ersatz zum Sportunterricht.
Eine der größten Herausforderung bestand darin, dass die Sportlehrer*innen aus der Distanz nicht beeinflussen konnten, ob die Sportaufgaben durch die Schüler*innen tatsächlich erledigt wurden. Teilweise wurden Kraft- und Technikaufgaben später im Präsenzunterricht in einer Leistungskontrolle benotet. An der Werner-Heisenberg-Schule hat ein Drittel der Befragten die Übungen aus den Videos hin und wieder erledigt. Bei den älteren Jahrgängen, ab 9. Klassen, war deutlich weniger Bereitschaft zu verzeichnen. Da in dieser Altersgruppe aber sehr viele Schüler*innen bereits Workouts im Lockdown selbständig gemacht haben, ist es naheliegend, dass sie dadurch die Aufgaben nicht erledigt haben. Aus eigener Erfahrung kann ich allerdings sagen, dass manche Schulaufgaben im Homeschooling sehr umfangreich waren und man dadurch leider priorisieren musste.
Fazit
Anhand meiner Befragung bestätigte sich die Vermutung, dass sich Kinder und Jugendliche durch die zweijährige Pandemie tatsächlich weniger bewegt und Sport gemacht haben. 397 Schüler*innen (60 Prozent) bestätigten, dass sie 1 bis 2 Stunden weniger sportlich aktiv waren. Folglich geben über die Hälfte von denen an, dass sich aktuell nicht mehr so fit fühlen wie vor der Pandemie. Immerhin fühlt sich ein Drittel genauso fit wie vor zwei Jahren. Einige Jugendliche hatten durch die Pandemie sogar mehr Zeit für Sport und fühlen sich jetzt fitter. Die große Mehrheit (72%) hat den Schulsport und die sportlichen Aktivitäten während des Lockdowns vermisst. Das unterstreicht den Stellenwert des Sports und den Spaß an sportlicher Betätigung im Leben von Jugendlichen, was wiederum für die psychische Gesundheit von Bedeutung ist.
Für die Zukunft wäre es überlegenswert, neben Schulen, auch Vereine und Freizeiteinrichtungen für Kinder und Jugendliche in ähnlichen Situationen offen zu halten. Eine regelmäßige Testung, kleinere Trainingsgruppen analog dem Wechselmodell könnte dies eventuell ermöglichen. Damit bliebe für viele die Konstante „Sport“ erhalten. Die Schüler*innen hätten einen körperlichen und mentalen Ausgleich zu ihren Schulalltag und würden ihre Abwehrkräfte für eine möglichen Viruserkrankung stärken.
Unter der Rubik “Sportjugend forscht” veröffentlicht der Sportlehrerverband Sachsen Beiträge von Schüler/innen und Student/innen aus dem Themebereich Schulsport und Sportunterricht.
Der vorliegende Artikel ist Rahmen einer wissentschaftlichen Facharbeit des Jahrganges 11 im Schuljahr 2021/22 entstanden.