Können wir eigentlich noch die Rolle rückwärts?
„Ho, Ho, - alle Jahre wieder.“ - So beginnen bestimmt viele Weihnachtsgrüße auch in diesem Jahr. Verbunden mit guten Wünschen für eine besinnliche Weihnachtszeit blickt man auf das vergangene Jahr zurück und wünscht sich alles Gute für das neue Jahr! Aber so regelmäßig wie die Weihnachtswünsche kommen, so folgt dann auch noch die „Bescherung“, verbunden mit der Hoffnung, dass viel Gutes und Süßes im Sack ist und die Rute nicht ausgepackt werden muss…
In dieser guten Tradition bekommt unser Land nun zunehmend seine „Bescherung“ durch die PISA-Studie. In leider großer Beständigkeit vermittelt sie uns abermals ein Abrutschen in den 3 untersuchten Bereichen in die Mittelmäßigkeit mit starker Tendenz zur Abkopplung von den Bildungssiegern. Da auch der Sport und Schulsport Teil unserer Kultur- und Bildungslandschaft ist, sollte sich dieser doch bestimmt in dieses Untersuchungsfeld einordnen lassen können. Leider gibt es aber diesen Vergleichstest im Sport nicht, wenngleich wir diesen Sport-PISA-Test schon lange fordern.
Und mal ehrlich: So richtig will diesen Vergleichstest ja eigentlich niemand. Denn wir haben im föderalen System unserer Kultushoheit dafür vielmehr eine Unmenge an „Experten“, die meist ausgehend von ihrer aus der "Wissenschafts-Bubble“ abgeleiteten Expertise hervorragende Vorschläge machen, wie es besser laufen könnte. Dabei sind ihre Vorschläge meist auf progressive, inklusive und vielfältiger Werteorientierung gerichtet, die einhergehend mit der moralischen Überzeugung das Beste für Alle im Sinne von Bildungsgerechtigkeit zu wollen, den Blick in die Zukunft richten… Mit den Worten des Sportlers, man will nur noch die Rolle vorwärts können.
Ein Wort höre ich aber seit langem nicht mehr in der Diskussion und wenn, dann immer nur im negativen Determinismus, das Wort „Leistung".
Dieses Wort wird möglichst vermieden oder noch schlimmer, als rückwärtsgewandter Bildungsinhalt dargestellt. Einhergehend lehnt man damit zunehmend alle selektiven und bewertenden Aspekte von Bildung auch im Sport ab. Die Diskussion über die Rolle der Note im Fach Sport im vorigen Jahr und die Abschaffung des Wettbewerbscharakters bei den Bundesjugendspielen in diesem Jahr sind nur einige Beispiele für diese Entwicklung. Wer die Notendiskussion zwischen Schülern und Lehrern in der Schulpraxis beobachtet, stellt nicht nur im Sport fest, dass hier eine Verschiebung stattgefunden hat. Der Bildungshistoriker Heinz-Elmar Tenorth (Jahrgang 1944) brachte es im Spiegel auf folgende Aussage: »Wer eine Fünf gibt, gilt schnell als Leistungsterrorist!«
Gleichzeitig zeigen alle Studien, dass die heutige Bildungsjugend vom Leistungsdruck der Schule stark belastet ist, was weitreichende, vielfältige Erkrankungszustände nach sich zieht. Wenn man nun aber zu den Siegerländern der PISA-Studie schaut, vornehmlich asiatische Länder, sich die Mühe macht genau hinzuschauen, dann fällt dort vor allem die gesellschaftlich akzeptierte Stellung des Leistungsbegriffes auf.
In diesen Ländern wird (Schul-)Leistung weiterhin als Versprechen eines gesellschaftlichen Aufstiegs verstanden. Investitionen in Leistung bedeuten dort selbstverständlich noch die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs und damit eine Investition in Zukunft. Die Institution Schule, mit allen daran Beteiligten, hat darin eine wichtige Funktion, diesen Innovationsaspekt für die Gesellschaft zu gestalten. Der (Schul-)Sport gehört in diesen Ländern zu einem selbstverständlichen Bildungsinhalt.
Die Orientierung auf Leistung gilt bei den PISA-Siegern eben nicht als rückwärtsgewandte Lebensphilosophie, sondern ganz im Gegenteil als Triebkraft der Motivation und Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe. Natürlich kann somit in diesen Bildungssystemen nicht Jeder Abitur und nur gute Noten bekommen, aber das Versprechen es über Anstrengung und Leistung zu erreichen, ist vorhanden. Auch dieser Weg ist eine Form von Bildungsgerechtigkeit. Denn wenn wir diese Bereiche bei uns durch Abkopplung von Leistung und Anstrengungsbereitschaft immer mehr öffnen und sie den individuellen Möglichkeiten überlassen, verlieren diese an Wertigkeit… Anders herum könnte so die Integrationsleistung und Einordnung in unser Land funktionieren! – dann gehört der Satz: „Wer Rechte bekommt, hat Pflichten zu leisten“ in einem gesunden dialektischen Verhältnis dazu!
Gerade wer aus dem (Leistungs-)Sport kommt, weiß, was es für die Motivation bedeutet, sich in einem Leistungsvergleich zu befinden. Eine Fähigkeit und Fertigkeit nicht zu können ist ganz natürlich, aber sie erlernen zu wollen und die Motivation für Weiteres aufzubringen, sind hierbei erstrebenswerte Eigenschaften für die persönliche Entwicklung.
Um im sportlichen Bilde zu bleiben: Was ist es für ein gutes Gefühl, die Rolle vorwärts (oder Purzelbaum) selbst zu können. Strahlende Kinderaugen nach dem Gelingen sagen alles. Und vielleicht entsteht aus dem Können, nicht nur der „Kompetenz“, die Motivation nun auch noch die Rückwärtsrolle zu erlernen.
Bezogen auf die aktuelle Bildungsdiskussion, abgeleitet aus den Ergebnissen der PISA-Studie, appelliere ich wieder für eine „Rolle rückwärts!“ – Der Perspektivwechsel ist bitter nötig, damit unsere Kinder und Jugendlichen eine Chance in einem Land haben, was noch Zukunft generieren kann, durch Leistung und Innovation Werte schafft und nicht nur noch verbraucht. Unser sächsischer Kultusminister Piwarz hat nach der PISA-Studie festgestellt: „Bildung muss aber auch stärker als bisher schon in der Kita beginnen.“ – Wer Kitas aus „vergangenen Zeiten“ noch kennt, reibt sich heute hier die Augen - aber damals war der Bildungsanspruch in Kitas auch Pflicht. Wir brauchen somit zunehmend wieder einen Blick nicht nur auf das „Was“, sondern einen Blick auf das „Wie“ und „Wozu“ in der Bildungs- und Erziehungslandschaft.
Mit diesen besinnlichen Worten möchte ich mich bei meinen Mitstreitern im Vorstand des Sportlehrerverbandes Sachsen für die großartige Arbeitsleistung im Sinne des Schulsports bedanken, denn ohne die, mit viel ehrenamtlichem Engagement aufgebrachte Zeit würde unser Anspruch „Nur Schulsport bewegt alle“ nicht umgesetzt werden können.
Wir freuen uns über die vielen Unterstützer und werden im Sinne unseres Verbandsmottos: „Zwischen Tradition und Moderne“ nicht nur eine Perspektive im Blick haben, sondern auch weiterhin für euch die „Rolle vorwärts“ und „Rolle rückwärts“ praktizieren. Unsere Verbandshöhepunkte für 2024 stehen bereits fest: Die Regionalkonferenzen im März, die Ski-Alpin-Fortbildung im April in Südtirol und natürlich der Jahreshöhepunkt, der 21. Sportlehrertag am 29./30. August auf dem Rabenberg.
Für die bevorstehenden Weihnachtsferien wünsche ich uns vor allem besinnliche Stunden im Kreis der Lieben und einen guten, vor allem gesunden Rutsch ins Jahr 2024.
Bis zum baldigen Wiedersehen.
Euer Peter Pattke